Montag, 18. August 2014

Anekdoten aus Indien 1

Hallo ihr Lieben,
das Spannendste an so einem interkulturellen Austausch sind ja die Kleinigkeiten und Eigenarten in der Kultur uns gerade im Verhalten der Menschen, die einem plötzlich bewusst werden, über die man sich sonst nie Gedanken machen würde und wodurch einem die eigene kulturelle Prägung ganz plötzlich bewusst wird. Da diese Erkenntnisse bei Berichten über Ausflüge etc. immer ein wenig zu kurz kommen, werde ich jetzt  mal versuchen, diese Eindrücke in kleinen „Anekdoten“ wiederzugeben. Natürlich sind diese von den eigenen Verhaltensweisen abweichenden Muster für einen selbst erst einmal oft etwas befremdlich. Ich hoffe trotzdem, dass ich in meinen Äußerungen nicht irgendwie zu schnell werdend und gerade abwertend klingen. Berücksichtigt das! J

Indien und Körperkontakt

An diesem Wochenende ist mir bewusst geworden, wie sehr der Deutsche seinen halben Meter Mindestabstand zum nicht vertrauten Nebenmann gewöhnt ist uns braucht. Eine Berührung mit jemand Unbekanntem wird in Deutschland eher vermieden bzw. sehr reduziert gehalten. In Indien scheint mir das anders zu sein. Dadurch, dass hier einfach wahnsinnig viele Menschen auf engem Raum leben (in meiner Klasse, deren Raum eher kleiner als meine früheren Klassenräume ist, sind ja 52 Kinder) besteht ein anderes Verhältnis zu Körperkontakt. Das führt bei mir, als „Abstands-Deutscher“ auf leichte Gereiztheit. Die Leute drängeln sich radikal überall durch, stehen so dicht, dass Dauerberührung mit völlig Fremden nicht zu vermeiden ist, halten sich ohne zu fragen an dir fest etc. Das wirkt auf den ersten Blick ein oft ein bisschen grob und übergriffig, ist aber manchmal auch nett und nur eine Frage der Gewöhnung. Ein bisschen Desensibilisierung tut mir da wahrscheinlich auch ganz gut. J

Ausflug nach Shillong


Zur Warnung: Ja, ich weiß… Die meisten Leute bevorzugen viele Fotos und finden lange Texte etwas erschlagend. Erstens: Ich schreibe gerne. Manche Leute lesen gerne. Für die schreib ich, der Rest kann das ja ignorieren. J Zweitens: Meine Kamera ist wie ich feststellen musste leider viel zu schlecht um schöne Fotos zu machen. Ich überlege mir eine neue zu kaufen, aber das kann noch ein bisschen dauern. J
Dieses Wochenende (16./17.08.) haben wir gemeinsam mit den Schülern der Klasse 10 - die im Herbst bzw. Frühling ihren Abschluss an der Schule machen - ein paar Lehrern und den Fathers und Sisters einen Ausflug nach Shillong gemacht. Shillong liegt im Bundesstaat Meghalaya direkt an der Grenze zu Bangladesh und trägt in Indien den Beinamen „Schottland des Ostens“, weil es für seine Landschaft, die Seen und seine reine Luft berühmt ist.
Wir starteten am Samstag um sechs Uhr morgens mit ca. 65 Schülern in zwei Bussen. Shillong liegt zwar nur ca. 200km entfernt von Nagaon, jedoch wurden für die Strecke unter Einbezug von Straßenverhältnissen, schlängeligen Gebirgsstraßen und Verkehr zwischen sechs und acht Stunden veranschlagt. Diese Rechnung ging auch ziemlich genau auf und wir erreichten nach einer 7,5 stündigen Tour - begleitet von hysterisch kreischend- singenden Tanzeinlagen der aufgekratzten, niedlichen pubertären Mädchenrasselbande in unserem Bus - das Hotel in Shillong. Dieses war ziemlich komfortabel, auch wenn man wahrscheinlich davon ausgehen muss, dass uns als Europäern mit unserem Zimmer eine Sonderbehandlung zuteil wurde. Nach der Diskussion um die Zimmeraufteilung gab es ein traditionell indisches Lunch mit Reis, Papadam und Dhal und das Sightseeing-Programm wurde eingeleitet. Besichtigt wurden ein indischer Zoo, die örtliche Kirche der Salvatorianer, ein Golfplatz (spontane Alternative zu dem schon geschlossenen Park). Abschließend gab es noch einen kleinen Empfang im Wohnhaus der Salvatorianer.
Ich muss gestehen, dass wir drei von dem Zoo etwas entsetzt waren. Zwar war es spannend, da Tiere gezeigt wurden, die in europäischen Zoos nicht oft zu finden sind (z.B. Geier und Nashornvogel). Aber uns wurde doch deutlich, dass diese in Bezug auf „artgerechte Haltung“ (sofern das in Zoos möglich ist) doch ein ganzes Stück weiter sind. Hier lebten die Tiere in ca. 5qm großen Gitterkäfigen auf Betonboden, was einem Schwarzbären nicht ganz gerecht wird. Das hat uns etwas traurig gemacht, aber die Kinder hatten viel Freude.
Ab ca. 20:00Uhr wurde dann für die Kinder das abendliche Highlight eingeleitet: Shopping. Kinder sind überall gleich. J Als Father Steven diese Überraschung aus dem Ärmel zauberte, war das Gekreische natürlich groß. J Für uns war es auch super, da es die erste Möglichkeit war, wirklich allein (bzw. in unserer Dreiergruppe) durch eine indische Straße zu gehen und das Leben auf sich wirken zu lassen. Allerdings waren wir zu fertig, um das wirklich genießen zu können. Durchgerüttelt von der Bustour, begleitet von ordentlich Smog und die Menge der neu gewonnenen Eindrücke waren wahrscheinlich doch etwas überfordernd, sodass sich der abendliche Forscherdrang dann leider etwas in Grenzen hielt. Traurig zu bemerken: J Was uns trotzdem ziemlich geflasht hat, war die Entdeckung, dass Fastfood-Ketten in Indien eine riesige Auswahl an vegetarischen Burgern etc. haben. In Deutschland steht man mit diesem Wunsch ja ziemlich allein auf weiter Flur, aber die Hindu-Kultur hinterlässt natürlich ihre Spuren. Das wollen wir jetzt unbedingt bald mal ausprobieren. J
Nach einer ziemlich schlaffreien Nacht standen wir am nächsten Morgen wieder um sechs Uhr zur Abfahrt bereit. (Ausschlafen bekommt hier eine ganz andere Dimension.) Wir verließen Shillong Richtung Cherrapunjee/ Sohra - nach eigenen Angaben der regenreichsten Region der Welt - denen sie an diesem Tag auch durchaus gerecht wurde.  Der zweite Tag war ganz dem Natur-Sightseeing gewidmet. Wir fuhren zu Aussichtspunkten, bei denen man einen unglaublichen Ausblick in ein nebeldurchzogenes und von Bergen umgebenes Tal hatte und mit seinem tropisch-grünen Bewuchs wunderschön und märchenhaft aussah. Bekannt ist die Gegend auch für ihre Wasserfälle. Die Nohkalikai falls sind die viert-höchsten der Welt und gerade zur Monsunzeit, wenn diese das bis zu 20-fache an Wasser mit sich führen, natürlich besonders beeindruckend. Der Regen hatte natürlich auch sein negatives: Die Nebelschwaden führten dazu, dass sich gewisse Aussichtspunkte als Blick in ein weißes Nichts herausstellten. Aber wir wurden ja umfangreich entschädigt. Insgesamt hat mich fasziniert, dass die Natur mit den Reisfeldern und Bambuswäldern und auch die Kultur z.B. die Bauweise in dieser Region Indiens und die Gesichter der Menschen bei mir eher den Eindruck erweckten, in einem ostasiatischen Land z.B. China zu sein. Da fällt einem auf, wie wahnsinnig riesig und dadurch vielfältig dieses Land ist.

Auf der stundenlangen Rückfahrt nach Nagaon entschieden wir uns dazu mal in die Party der Mädchen im hinteren Teil des Busses einzusteigen. Das war sehr lustig. Die Mädchen waren super nett und wir tauschten uns über deutsche/indische Tanzmoves aus, sofern sich diese zwischen 30 Mädchen zusammengequetscht auf ein paar Busreihen realisieren ließen. Ich glaube von außen sah der Bus etwas nach „Lowrider“ aus. Wenn alle gemeinsam zu irgendeinem Bollywood-Song ausrasteten, kam  der Bus ganz schön ins Schwingen/Bouncen. J Um viertel nach elf erreichten wir dann wieder unsere Schule und fielen totmüde ins Bett. „Gottseidank ;-)“ dürfen wir die Messe morgen schwänzen und einmal ausschlafen. 
Father Benni im Bus ("Ob wohl alles klappt" :))

Father Steven im Bus

Viewpoint (leider konnte niemand sagen, wie dieser See jetzt eigentlich heißt. Wohl nicht so wichtig. :) )

Schülerinnen im Hotel (Uniform ist auf Ausflügen natürlich Pflicht)

Shillong

Mittwoch, 13. August 2014

Youth Festival - Erster Tag


Nach den ersten paar Tagen, in denen wir versucht haben uns in den normalen Tages- und Unterrichtsablauf der Christ Jyoti School einzufinden, fand heute der erste Tag des Youth Festival der Schule statt. Bei dem Festival, das zwei Tage andauert, findet eine Art Kulturwettkampf zwischen einzelnen Schülern der unterschiedlichen Häusern der Schule statt. (Harry Potter-mäßig sind die Schüler auf das grüne, blaue, rote und gelbe Haus verteilt.) Hierbei gibt es verschiedene Kategorien: Heute standen „Traditional Indian Singing“, Drama, Standbild, Free Speech und Drawing auf dem Programm. Morgen folgt dann noch „Traditional Indian Dancing“. Die Lehrer fungieren als Jury. Besonders spannend war es heute, die Kategorie Drama zu beobachten. Hierbei setzten sich die Schüler aktiv mit sozialkritischen Themen auseinander. Es blieben auch Themen nicht aus, die in Deutschland sofort mit Indien assoziiert werden, z.B. die Abtreibung bzw. das Weggeben weiblicher Neugeborener, männliche Dominanz und die Stellung der Frau. Das eine Auseinandersetzung bzw. ein Bewusstsein für diese kritische Rollenverteilung besteht, hatte ich schon im Privatgespräch mit Mrs. Pompa - der Klassenlehrerin, deren Nursery Klasse ich als Assistenz zugeteilt bin – gemerkt. Dass dies jedoch auch in der Schule offen thematisiert wird überraschte mich dann doch. J
Nach Ende des Programms gab es dann noch ein bisschen „offene Bühne“, bei der Schüler freiwillig vor dem Schulpublikum etwas singen dürfen. Auch ich wurde von Sister Jisam mit reichlicher Unterstützung von meinen Mitfreiwilligen Johanna und Zoe auf die Bühne gezerrt. Gott sei Dank fiel mir gerade noch rechtzeitig ein Lied ein, bei dem ich mir einigermaßen sicher war den Text zu können. Auch wenn ich von mir aus niemals allein auf diese Bühne gegangen wäre und ich sehr aufgeregt war, war es sehr schön und hinterher habe ich mich gefreut. Die Schüler gehen sofern wir das bis jetzt mitbekommen allgemein sehr positiv und wertschätzend miteinander um und auch ich bekam hinterher viel liebe, positive Rückmeldung von den Schülern. J


Verkleidete Schülerinnen des "Drama-Contest"



Schülerinnen (rechts die sehr nette Tochter unserer Köchin)

Margret (unsere Assamese-Lehrerin) und ihr 9-Monate alter Sohn Robert zu Hause in den Colonies

Frauen in den Colonies weben die Schals, die in Assam traditionell den Gästen überreicht werden.


Johanna, Schülerinnen in den Farben der verschiedenen Häuser und Ich

Erste traditionelle Kleidung: Kurta und Salwar

Montag, 4. August 2014

Monsun!

So… 
Dieses wird also der erste ausländische Blogeintrag. Gestern Abend haben wir nach ewig langer Reise endlich unser Projekt erreicht. Samstag um halb sechs ging‘s ab Richtung Flughafen. Nach Zwischenstops in Amsterdam und Neu Delhi (10 Stunden Aufenthalt bei denen wir die Warteräume wegen Überfüllung gar nicht betreten durften und übermotiviertes Flughafenpersonal es leider auch nicht für angebracht hielt, dass man sich zum Dösen auf den Boden legt) landeten wir dann ca. 15:15 Ortszeit am Sonntag in Guwahati.


Schiphol Airport
Versuch in Neu Delhi zu schlafen
Dort begrüßte Johanna, mich und die anderen drei Freiwilligen aus anderen Projekten gleich unser erster Monsunschauer, der sich aber eher als ein angenehm frisches Platschen herausstellte. Außerdem begrüßte uns ein ganzes Komitee aus Sisters uns Fathers  - angeführt von Father Benni -, verlud uns in einen ziemlich rüstigen Geländewagen und heizte mit uns die drei Stunden zu unserem Projekt nach Nagaon. Auf den Straßen herrschte das erwartete indische Kuddelmuddel. Die Hupe war sozusagen im Dauerbetrieb und ersetzt hier Spiegel und Blinker. J Die Hälfte von uns musste unangeschnallt bleiben, alle paar Meter musste eine Vollbremsung oder ein radikales Lenkmanöver wegen Schlaglöchern, querschießender Tata-Busse oder orangerot gekleideter hinduistischer Pilgerreisender gemacht werden. Aber dass tatsächlich alle 100m Kühe auf den Straßen herumliefen und wir sogar unsere ersten zwei Elefanten sahen, darauf war ich nicht eingestellt. Die Landschaft ist wirklich wunderschön. Serpentinenstraßen winden sich an Reisfeldern vorbei durch nebelverhangene, unglaublich grüne, urwaldlich bewachsene Berge.
Nach einem kleinen Zwischenstop auf der Hälfte der Strecke, bei dem ein paar Schwestern in einer Nachbarschule ein Essen für uns vorbereitet hatten, erreichten wir Nagaon dann gegen halb sieben. Wohlbemerkt ist es hier ab ca. 18:00 stockdunkel. Tropen halt. J Johanna und ich bezogen einen seperaten Bereich im Gebäude der Fathers, der aus zwei großen Zimmern, einem Bad mit zwei Toiletten und einem riesigen Flur besteht. Dort wurden dann gestern und heute direkt die ersten Erfahrungen mit indischen Sanitäranlagen gesammelt. Für Caro J: Obwohl Father Benni überaus rücksichtsvoll Toilettenpapier bereitgestellt hatte und eine der Toiletten sogar europäischen Standards entsprechend über Sitz und Spülung verfügt, mussten natürlich auch die Berührungsängste mit der Loch-in-Boden-, bzw. Wasser-zum-Abspülen-Variante gesammelt werden. Gar nicht so einfach. 


Zum Duschen lässt man einfach Wasser in einen Messbecher-artigen Becher und gießt alles in einem riesigen Schwall über Kopf und Boden. Sehr wassersparend und gar nicht unangenehm. Das brauchen wir wahrscheinlich auch dreimal am Tag.

Das Schulgelände ist riesengroß. Es besteht aus vielen unterschiedlichen Gebäudeteilen, in denen die unterschiedlichen Altersgruppen untergebracht sind. Die Fathers ließen uns am ersten Tag jedoch erst einmal ausschlafen und in Ruhe ankommen, sodass wir morgen das ersten Mal den Unterrichtsbetrieb kennenlernen. Wir wurden sehr, sehr herzlich empfangen, haben auch schon einige der Schwestern und Fathers kennengelernt. Heute haben wir herausgefunden, dass die Küche die Mahlzeiten in den ersten Tagen extra für unseren empfindlichen Magen milder zubereitet. Das ist mal Gastfreundschaft. J