Sonntag, 14. Dezember 2014

Endlich Kaziranga

Der Kontakt, den wir Ende November durch unsere Übernachtung in der Salonah Mission zu den dortigen Fathers hergestellt hatten, zahlte sich Ende letzter Woche sofort in großartiger Weise aus. Schon bei unserem ersten Besuch machte uns Father Philip das Angebot, doch gerne erneut zu ihm nach Salonah zu kommen sodass er mit uns eventuell in den Kaziranga National Park fahren könne. Wir versuchten also eine Woche lang unser Möglichstes um diese Einladung zu realisieren: Wir bissen die Zähne zusammen und fragten den überarbeiteten und schlecht gelaunten Father Benny um Erlaubnis, auch wenn wir große Angst davor hatten ihn anzusprechen. Father Philip hängte sich ins Zeug und organisierte uns eine Rückfahrmöglichkeit und im wirklich letzten Moment gelang es uns dann noch eine Begleitung für die Hinfahrt zu finden. Die Fahrt führt über zahlreiche Dörfer, man muss mehrere Male umsteigen und die Fathers verbieten es uns ja grundsätzlich, uns allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen. Daher waren wir sehr froh, dass uns Silvester, der Leiter des Schuloffices erzählte, dass er aus Salonah stamme und seinen Sohn zu unserer Begleitung einfach auf „Heimbesuch“ schickte.
Als wir in der Mission ankamen hatten Johanna und Ich unseren ersten Euphorie-Schub. Die Menschen dort sind einfach so herzlich und erst durch den Abstand zu unserer Schule und den Fathers wurde uns deutlich, wie bedrückend und belastend die Situation dort ist und wie gut es tut dort rauszukommen. Wir kochten den Fathers zum Abendbrot „deutsche“ Apfelpfannkuchen (Die sie im Gegenzug zu unseren Fathers auch probierten. Und mochten!), saßen am Lagerfeuer und sangen zu zweit Weihnachtslieder, bis ein Father sich zu uns setzte und wir uns lange und intensiv über unser Leben, Deutschland und Indien unterhielten. Wenn man sich überlegt, dass mich die Fathers in Nagaon noch nicht einmal gefragt haben, wie viele Geschwister ich habe, war das eine schöne Differenzerfahrung.
Am nächsten Morgen klingelte dann um viertel vor vier unser Wecker. Wir schlüpften in unsere Wanderstiefel, drei Pullover-Schichten, Mütze und Schal und fuhren noch halb komatös mit Father Philip die 1,5 Stunden bis in den National Park. Dort befanden wir uns dann in der merkwürdigen Situation, das erste Mal Touristen und vor allem Weiße in Indien zu sehen. Nagaon ist provinziell. Dort begegnet man keinen Ausländern und daher konnte ich mich jetzt das erste Mal in die Situation der fasziniert, aber penetrant aufdringlich starrenden Inder versetzen. Zu dritt kletterten wir dann auf die Elefantendame Maruti und machten eine kurze (1Std) aber unglaublich schöne und beeindruckende Tour durch den Park. Wir ritten durch matschige Sumpfebenen, hohes vom Nebel feuchtes Savannengras und konnten zahlreiche Tiere – Reharten und Vögel z.B. Pelikane – sehen. Besonders beeindruckend waren die „One-horn Rhinos“ , für die der Park berühmt ist. Drei davon grasten in nur zehn Meter Entfernung und wir konnten den Körper eingehend betrachten, der fast Schilkröten- oder Dinosaurier-artig von einer Art Panzer umgeben ist. Skurrile Tiere. J

Anschließend fütterten wir noch die Babyelefanten mit Bananen, die sie uns ungestüm aus den Händen rissen und fuhren zurück in die Mission um übervoll an Eindrücken erst einmal ausgiebig zu frühstücken.







Im Teegarten der Salonah-Mission

Annekdoten aus Indien 3: Terminplanung

Möchte man nach deutscher Manier in Indien eine Veranstaltung planen, stößt man mit dem Versuch deutscher Planung - wie wir mittlerweile erfahren haben - schnell an seine Grenzen. Die Zahl der eintreffenden Gäste und auch Zeit ihres Eintreffens bzw. Abreisens ist schier unkalkulierbar. Da Johanna ab dem 10.Dezember für sieben Wochen auf Reisen geht und hinterher nur für eine Woche ins Projekt zurückkehrt bevor sie Indien verlässt, wollte sie am Sonntag eine kleine „Farewell-Party“ vor allem für die befreundeten Lehrer geben. Da wir hier ja eh nicht so mit Beschäftigung gesegnet sind, gaben wir uns große Mühe und bastelten Einladungskarten, überlegten uns deutsche Gerichte, die wir auf dem Büffet anbieten könnten (am Ende wurde es Baumkuchen) und ein paar Worte, die Johanna zum Abschied an alle richten wollte. Es war jedoch völlig unmöglich im Vorfeld herauszubekommen, wie viele von den ca. 25 eingeladenen Gästen tatsächlich kommen würden, da alle mit eindeutigen Aussagen ziemlich herumdrucksten. Wir bereiteten also Essen für 20 Personen vor um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Wir fuhren um halb zehn morgens zu Pinky Madam, in deren Tution-Center (ein seperater spartanischer, mit Bänken versehener Raum auf dem Dach ihres Nachbarhauses) die Party stattfinden sollte. Dort wollten wir dann gemeinsam das Basis-Menü vorbereiten, aber Miss Pinky war natürlich schon um sechs Uhr aufgestanden und hatte alles allein fertiggestellt. Zudem sollte nach Art eines deutschen Büffets um der lieben Vielfalt Willen jeder Gast noch eine Kleinigkeit beisteuern. Dies stieß auf sehr geteilte Meinung, sorgte zumindest aber für große Verwirrung. J Wir hübschten uns dann noch ein bisschen mit unseren frisch erworbenen Mekhela Chadors, den assametischen Sarees auf und warteten auf die Gäste. Und warteten, und warteten…

Eine Stunde nach verabredeter Zeit waren dann „tatsächlich schon“ zwei Gäste eingetroffen und Johanna wurde schon immer verzweifelter, ob es denn bei diesen zwei bleiben würde. Irgendwann kam dann aber doch noch ein Haufen aus sechs weiteren Personen angetrudelt. Nach all der Warterei entsprechend hungrig, ließ Johanna dann das geplante Spiel und die dankenden Worte ausfallen und ging direkt zum Buffet über. Ein Gast blieb nur für fünf Minuten, weil er wichtige Arbeiten zu erledigen habe.(Aber eine sehr nette Geste, dass er überhaupt gekommen ist.)  Die anderen verabschiedeten sich nach einer Stunde, nachdem gegessen und Millionen von Fotos geschossen wurden, da sie schnell wieder Klausuren korrigieren, Tanzklassen leiten oder Nachhilfe geben mussten. Und es blieb natürlich viel zu viel Essen über. (Nur der Baumkuchen war so ratzekahl leer gegessen, dass ich selbst kein Stück mehr ergattern konnte. Kein Wunder. Hier gibt es leider nur synthetische Zuckerschaum-Torten J ) Im Nachhinein fanden wir heraus, dass Johanna über diese Zahl an Gästen und den Erfolg ihrer Party sehr froh sein konnte. Bei den geplanten Geburtstagspartys von anderen Freiwilligen in Indien kam in zahlreichen Fällen kein einziger Gast. Terminplanung in Indien ist deutlich flexibler als man es in Deutschland kennt.




Montag, 8. Dezember 2014

Village-Life

Am letzten Donnerstag, den 27.11. konnten wir unserer Schulpflicht und der angespannten Situation mit den Fathers etwas entkommen, da eine Freundin aus der benachbarten christlichen Siedlung und ihre Schwester mich und Johanna einluden ihr Dorf zu besuchen. Diese Einladung wurde zwar etwas schamhaft ausgesprochen, mit der Warnung, dass ihre Familie sehr arm sei und uns nichts bieten könne, aber wir freuten uns wahnsinnig. Nachdem wir unter der Bedingung, dass wir im Convent der dortigen Schwestern übernachten und nicht im Haus der Familie gaben die Fathers nach einigem Knurren auch endlich ihre Erlaubnis. Die Reise begann mit einer Cycle-Rikscha-Fahrt nach Nagaon, dann stiegen wir in ein public car (so etwas wie Jeep-Busse, in denen mit etwas Quetschen erstaunlich viele Menschen Platz finden) und fuhren dann die letzte Strecke mit der Auto-Rikscha eines Freundes von Swapna. Dort wurde dann trotz angekündigter Armut für uns Gäste das volle Programm aus Tee, Kuchen und in Sirup getränkten Rasgulla aufgefahren. J Wir fuhren dann wieder in Swapnas Haus und gegen Mittag nach Hause. Unglaublich was für schöne Tage und welche Herzlichkeit uns diese arme Familie geschenkt hat.
Sweets (von uns "Ranz-Süßigkeiten" getauft), schmeckt leider fast alles NICHT!

Und hier begann Johannas Sternfrucht-Exzess

Johannas Jagd nach Sternfrüchten

Reisfelder hinter dem Haus

Waschplatz mit Gebirgswasser

Aussicht von den umliegenden Hügeln

Swapnas Mann beim Fischen im eigenen Teich

ein mittelgroßer Fisch

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Essen von Bananentellern - Einweg-Geschirr mal anders

Familienfoto
Die Gäste gut zu bewirten ist hier einfach eine Frage der Ehre. Dann wurden uns mit einer Mischung aus Scham und Stolz das Haus und das Gelände gezeigt. Swapnas Ehemann, den sie mit 14 nach eigener Aussage aus Liebe geheiratet hat, lebt dort und bewirtschaftet das wenige an Land, das er hat. Swapna lebt bei ihrer Mutter in der Stadt, da sie ihre Kinder dort zur Schule schicken will. Leider steht die Familie aus diesem Grund unter hohem Druck, da sie Schulden aufnehmen müssen um das Schulgeld zu zahlen, die sie in ihrer momentanen Situation niemals zurückzahlen können. Indien ist für mich gefühlt das fruchtbarste Land der Welt. Um das relativ spartanische Haus, in dem es nicht mal ein Bett gab, erstreckte sich ein Garten mit Mango-,Kokos-, Bananen-, Jack- und Sternfrucht-Bäumen, Auberginen- und Kürbis-Pflanzen etc. Da die Familie den Ertrag eines Sternfruchtbaumes allein gar nicht bewältigen kann, konnten Johanna und ich uns den Bauch voll schlagen und bekamen sogar eine riesige Tragetasche voll geschenkt. Hinter dem Garten besitzt die Familie ein paar Reisefelder und eine kleine Teeplantage, deren Blätter sie an die nah gelegene Fabrik verkauft. Außerdem hat Swapna für eine langfristig bessere Perspektive eine kleine Gummibaumplantage angelegt, die in ein paar Jahren Erträge liefern wird um die finanzielle Situation der Familie zu erleichtern. Wir besichtigten das ganze Gelände, fanden Elefanten-Fußabdrücke in den ausgetrockneten Reisfeldern und kletterten auf die nahen Hügel um die Aussicht zu genießen. Die Elefanten, wie sehr wir Europäer uns auch schon selbst über Fußabdrücke freuen, stellen eine enorme Belastung für die Landbevölkerung dar: Sie kommen in Herden aus den Bergen und fressen die Felder und Gärten leer und bringen die Menschen dadurch in Not. Dann gingen wir zu meiner Freude mit Swapnas Ehemann fischen. Zwar entschieden wir uns aus gesundheitlichen Gründen den Teich besser nicht zu betreten und nur zuzusehen, aber auch das war schon spannend. Das Wurfnetz förderte dann auch 5 winzige, 5 ca. 15 cm große und einen größeren Fisch zu tage, die wir anschließend zum Abendessen zubereiteten. Endlich einmal gemeinschaftliches Kochen, wenn auch nicht indisch sondern deutsch: Etwas elend wurde mir doch, als der Fisch nicht wenigstens zur Betäubung zu Beginn einen Schlag verpasst bekam oder schnell umgebracht wurde. Stattdessen wurden zuerst mit einem Messer die Schuppen abgeschabt, die Flossen abgeschnitten und dann erst der tötende Schnitt gesetzt. Das war für mich sehr hart. Aber ausnehmen wollte ich den Fisch dann unbedingt selber. Anschließend wurde Gemüse geschnibbelt und gekocht, Salat gemacht und der Fisch gefüllt und gekocht. Serviert wurde alles zu unserer Überraschung wie in Südindien üblich auf handgemachten Tellern aus den Stücken einer Bananenpalme. Dann fuhren wir schnell, da es schon dunkel wurde, in die benachbarte Salonah-Mission, wo wir von dem dortigen Parish Pries Father Philip sehr nett beherbergt wurden. Am nächsten Morgen gab es dann Foto-Session mit dem glatzköpfigen Father und er zeigte uns sein Gelände. Dort konnten wir auch eine Gummibaum-Plantage in Produktion sehen. Sehr spannend. So etwas kannte ich bis jetzt nur aus der Sendung mit der Maus.