Unser Darjeeling-Gangtok Kurzurlaub vom 30.09. bis zum
05.10. spiegelt so ziemlich die gesamte Ambivalenz wider, die ich mittlerweile
oder immer noch bezüglich Indien empfinde. Ich habe unglaublich tolle Eindrücke
gesammelt, viel Neues über die indische Kultur gelernt, bin aber auch an
manchen Punkten mit meiner Belastbarkeit an ihre Grenzen gestoßen.
Wir, das heißt eine Gruppe aus ca. 50 Lehrern, Fathers,
Sisters, Schulmitarbeitern und Schülern der 9., 11. und 12. Klassen, starteten
zur unchristlichen Zeit von halb drei morgens mit dem Schulbus zur Guwahati
Railway Station. Als wir dort um 5 Uhr ankamen, lernte ich zum ersten Mal den
indischen Bahnhofsbetrieb – das heißt ein buntes Kuddelmuddel aus aufdringlich
bettelnden Straßenkindern, zahllosen auf dem Boden schlafenden, wartenden
Reisenden, Teeverkäufern und mehr oder minder skurrilen Gepäckstücken – kennen.
Wir hatten Tickets für die Sleeper Class. Das sind unklimatisierte, offene
Abteile, die mit insgesamt acht neben- und übereinander aufgehängten Liegen
versehen sind. Die Abteile sind etwas heruntergekommen und oft weht ein latenter
Geruch nach Urin und Dingen, die man lieber gar nicht kennen möchte, durch die
Gänge. Aber insgesamt fand ich es erstaunlich komfortabel und konnte auf den
Liegen sehr gut schlafen. Im minutentakt liefen schreiende Händler durch die
Gänge, die lauthals ihr „Biryani, Biryani, Veg Biryani, Chicken Biryani…“,
„Chai, Chai, Coffeee, Chai…“ oder Samosas zum Verkauf anboten. Am schönsten war
natürlich mal wieder die assametische Landschaft erleben zu können. Ich konnte
sogar ein bisschen traditionelle Filmromantik genießen und an der offenen
Zugtür im Fahrtwind sitzen. Um halb sechs abends kamen wir dann mit einiger
Verspätung in New Jalpaiguri an, aßen in einem Restaurant zu „Mittag“ und
machten uns dann im Bus auf die vierstündige, bergige Busfahrt hoch nach
Darjeeling. J
Nachmittags wurden dann ein Zoo – schöner als die Shillong-Erfahrung -, ein
Bergsteiger-Museum und der japanische (buddhistische) Friedenstempel
besichtigt. Um halb sechs ging es dann (viel zu früh) wieder in das grässliche
Hotel, wo der zwielichtige Hotelangestellte mir auch nur alle halbe Stunde
erneut verkünden konnte, dass das Hotel über keine Decken mehr verfügen, aber
er natürlich sein Möglichstes versuchen würde. Haha.
Ich will mich nicht beschweren, aber unser Hotel dort war fürchterlich (auch die Inder unserer Reisegruppe waren da meiner Meinung). Alles war kalt und feucht und in diesem Fall erwies sich mein Einzelbett als Nachteil, da die Schüler zu dritt in den größeren Betten zwar etwas weniger Platz hatten, sich aber immerhin gegenseitig wärmen konnten und ich die ganze Nacht halbwach und frierend unter meiner nicht klammen, sondern faktisch nassen Decke lag. Als am nächsten Morgen bereits um 03:30 gegen unsere Tür gehämmert wurde, war ich dementsprechend froh. Wir fuhren im Morgengrauen zu den Tigerhills, um den Sonnenaufgang über Indiens höchstem Berg – dem Kazenghdonga – zu sehen und dann zu einem Park/ Kriegsdenkmal mit ebenso schöner Aussicht. Wunderschön. Nach einem kurzen Abstecher zu einer „buddhist monastry“ hatten wir Zeit zum Shopping. Es gestaltete sich hierbei etwas schwierig die eigenen etwas touristischeren Wünsche gegen die resoluten Inderinnnen meiner „Shopping-Gruppe“ durchzusetzen, die angesichts der verglichen mit Nagaon günstigen Winterkleidung ganz „kaufrauschig“ wurden, aber ich kann jetzt eine fabelhafte traditionelle Nepali-Jacke mein eigen nennen.
Am nächsten Morgen ging es dann auf die bergige Tour in
Richtung unserer nächsten Station: Gangtok im Bundesstaat Sikkhim, an der
Grenze zu Nepal. Diese Nähe spürt man dort ganz deutlich, denn durch die
Gesichter der Menschen und die Architektur fühlt man sich viel eher im
chinesischen, als im indischen Kulturraum. Obwohl die Stadt nur 90km von
Darjeeling entfernt ist, nahm die Fahrt viele, viele Stunden in Anspruch, da
der Bus an den steilen Anfahrten ziemlich zu kämpfen hatte und die Straßen alle
Nase lang unter den Überbleibseln zurückliegender Erdrutsche begraben waren.
Beim Überqueren der Grenze zwischen West Bengal und Sikkhim gab es für mich
eine kleine unangenehme Überraschung: Möchte man als Ausländer in diesen Staat
einreisen, braucht man trotz eines für Gesamtindien gültigen Visums eine
Sondereinreisegenehmigung dieses Staates. Diese ausgestellt zu bekommen ist
nicht besonders schwer, jedoch benötigt man zur Beantragung Kopien von
Reisepass und Visum sowie ein aktuelles Passfoto. Dies in einer unbekannten
Stadt auf die Schnelle aufzutreiben, während 50 andere Reisende im Bus
schwitzend warten, ist nicht die begehrenswerteste Aufgabe. Aber auch das ließ
sich bewältigen und so erreichten wir gegen Abend unser Ziel Gangtok. Der erste
Abend verlief ein wenig langweilig. Nachdem endlich ganz nach indischer Art
etwas chaotisch die Zimmereinteilung abgeschlossen war, wurde unser Zimmer
leider für den Rest des Abends völlig aus den Augen verloren. Über die
Möglichkeit rauszugehen und wenigstens schon mal einen kleinen Eindruck von der
lebendigen Innenstadt zu erhaschen oder
von „Mittag“ (18Uhr) und Abendessen (22Uhr) wurden wir daher gar nicht
in Kenntnis gesetzt, verbrachten den Abend indische Musikclips im Fernsehen
schauend auf unserem Zimmer und gingen früh zu Bett.
Ungewöhnlicher Weise startete das Programm des nächsten
Tages erst sehr spät. Nachdem wir gewohnheitsmäßig in Erwartung eines wie
üblich recht zeitigen Starts um halb sieben aufgestanden waren, startete das
Frühstück erst um halb zehn. Dann begab sich die ganze Gruppe vor das Haus und
wartete. Und wartete… Und wartete… Der
Informationsfluss gerade bezüglich Terminplanung ist in Indien oft relativ
stockend, daher ist es für die Schüler gar nicht mal so ungewöhnlich zwei
Stunden wartend an einem Ort zu verbringen, ohne zu wissen worauf, bzw. was
gerade schief läuft. Also warteten wir. Als um halb zwölf immer noch keine
Veränderung in sich war, gingen wir erst einmal Mittag essen. JFür mich gab’s „Alu
Paratha“, sehr empfehlenswert. Wie ein Pfannkuchen mit eingebackenen Zwiebeln
und Kartoffelstückchen. Es stellte sich dann heraus, dass die Fahrer der für eine Sightseeing-Rundtour gebuchten Taxis
relativ spontan festgestellt hatten, dass sie ob des „natürlich sehr
überraschend eingetretenen“ Durga Puja-Feiertages lieber doch eher nicht
arbeiten möchten. Wir standen also ohne Fahrer da und erst gegen halb zwei
konnten andere Taxis gefunden werden, die bereit waren die Tour zu übernehmen.
Daraufhin fuhren wir in Kleingruppen zu zahlreichen Stationen: buddhistische
Klosterschulen, Aussichtspunkte, Wasserfälle, einem ziemlich unspektakulären
Blumengarten etc. Am meisten beeindruckt hat die in einem der buddhistischen
Kloster stattfindende Gebetszeremonie. Diese startete um sieben Uhr morgens und
dauerte bis vier Uhr am Nachmittag an. Die große Gruppe von Mönchen, bei denen
von kleinen Kindern über den altehrwürdig erscheinenden Greis bis zum
euphorisch strahlenden, weiß/westlich aussehendem „Gastmönch“ alles vertreten
war, rezitierte ununterbrochen in einem an Obertongesang erinnernden Gegrummel
auf kleinen Tafeln in Sanskrit festgehaltene Gebete. Begleitet wurde das Ganze
von gleichmäßigen Trommelschlägen. Nach Beendigung einer Tafel wurde das ganze
kurzzeitig von einer Kakophonie aus Trommelschlägen und Tönen aus verschiedenen,
an Alphörner oder auch vielleicht Didgeridoos erinnernden Instrumenten
unterbrochen. Dabei wurden alle von kleinen herumflitzenden Mönchsschülern mit
großen Schalen Milchtee und fladenartigem Gebäck versorgt. Obwohl mein
Interesse an Indien nicht das einer mittelalten Esoterik-Tante auf der Suche
nach spiritueller Erfahrung ist (Ich entschuldige mich hiermit wenn ich etwas
despektierlich klingen sollte und sich jemand auf den Schlips getreten fühlt.),
war das für mich doch ein ganz besonderer Moment. Später bin ich dann noch mit
Santana Miss, einer sehr netten Lehrerin, ins abendliche, lebendige Gangtok
aufgebrochen und habe mich mit ihr auf die Suche nach (hässlicher)Wintermode
begeben. Es war schön noch ein wenig das abendliche, touristische und daher
lebendige Flair dieser Stadt zu genießen.
Die am nächsten Tag anstehende Rückreise gestaltete sich
dann als das organisatorische Highlight der Fahrt. Um 06:30 verließen wir
Gangtok mit dem Bus und fuhren zur Bahnstation „New Jalpaiguri“, die wir um 12
erreichten und dort zu Mittag aßen. Aufgrund von Komplikationen (die genaueren
Umstände weiß ich nicht) konnten für den eigentlich geplanten letzten
Shoppingtrip ins nahliegende Siliguri erneut keine Fahrer gefunden werden. Die
Alternative war daher an der Station auf den Zug zu warten, der um 18 Uhr
abfahren sollte. Als wir die sechs Stunden dann mit Hilfe zahlreicher Chips und
Schokolade endlich überbrückt hatten, wurde der Zug zuerst als 5, dann 6 und
dann auf unbestimmte Zeit verspätet angesagt. Nach weiteren Ansagen für 02:00
und 02:30 und insgesamt 15 Stunden von lautstarken, zermürbenden Durchsagen
begleiteter Warterei traf der Zug um 03:00 dann endlich ein. Die dann noch
anstehende neunstündige Zugfahrt mit verhältnismäßig bequemen Liegen und die
drei Stunden Bustour nach Nagaon kamen einem daraufhin sehr, sehr milde vor. J