Sonntag, 29. März 2015

Reisenachtrag

Der erste Tag unserer Reise am 17.02. begann mit unserem Treffen am Airport in Delhi. Das lief alles reibungslos und David wartete schon am Ausgang auf mich. Von dort fuhren wir mit der Metro nach Neu Delhi, wo wir am Main Bazar, Parhaganj, dem Low-Budget Touristen Spot ein Hotel gebucht hatten. Beim Versuch um dorthin zu gelangen die Bahnstation zu passieren liefen wir gleich dem ersten Nepper ins Netz. Dieser erklärte uns, da heute Shuboratri, ein Hindu-Feiertag und damit große Festivitäten seien, brauche man eine spezielle Erlaubnis um Parhaganj zu betreten. Souverän führte er uns zu einer Autorikscha und erklärte uns, diesen Schein erhielten wir im Touristenbüro am Connaugh Square. Zuerst waren wir sehr vertrauensseelig, aber nach einer Weile wurde ich dann doch skeptisch und rief im Hotel an, um mich einmal abzusichern. Der Manager entlarvte das Ganze dann auch sofort als Betrug, wir wendeten die Rikscha nach 200m wieder und passierten in einem zweiten Anlauf die zahlreichen Personenkontrollen und Taschendurchleuchtungen am Bahnhof, die uns zuvor verunsichert hatten. Anzumerken ist, dass bei unserer Reise ungefähr an jedem Bahnhof und jeder Sehenswürdigkeit unser Gepäck gescannt wurde. Das Klappmesser, dass ich zum Obstschneiden immer bei mir habe jedoch nur in einem Fall bemerkt wurde. Da David vom Straßenleben in Indien natürlich erstmal überfordert war, entschieden wir direkt in Delhi nur eine Nacht zu bleiben. Am ersten Abend schlenderten wir durch die Gassen, ließen den Trubel auf uns wirken. Am nächsten Morgen besichtigten wir das Rote Fort und schlenderten über einen der hektischen Bazare zurück. Dort musste David durch mich veranlasst dann seine erste Erfahrung mit den von Indern stets beworbenen und gnadenlos süßen indischen Sweets sammeln. Es gab Jalabes, in Fett ausgebackene und danach in Sirup ertränkte Teigspiralen. Ein einziger Fett-Zucker-Matsch in deinem Mund, aber dieser Sweets mag ich sogar ziemlich gerne. J Bis zum Abend schlugen wir dann die restliche Zeit auf einem der zahlreichen Rooftop-Cafés tot und hetzten dann letzten Endes doch zur Busstation um unseren Nachtbus nach Dharamsala zu erwischen. Das Bussystem in Indien ist ziemlich gut ausgebaut. Für zahlreiche Nah- und Fernstrecken gibt es Busse verschiedener Preis- und Komfortkategorien. Wir gönnten uns einen AC-Semisleeper Bus (bedeutet klimatisiert und mit bequemen Sitzen, die nach hinten geklappt in eine Art Liege verwandelt werden können). Am liebsten hätte ich einen der Sleeper-Busse ausprobiert, die tatsächlich seperaten Liegekojen ausgestattet sind. Diese Kategorie wird allerdings in weiser Voraussicht auf den kurvigen Bergstraßen nach Himachal Pradesh nicht angeboten. Nach diversen Buswechseln wegen defekter Bremsen etc. und 13 Stunden Fahrt erreichten wir dann am nächsten Morgen McLeod Ganj bei Dharamsala und wurden mit behaglichem Schmuddelwetter begrüßt.

McLeod Ganj ist ein winzig kleines, aber sehr nettes Nest, das eigentlich nur aus fünf zusammentreffenden Straßen besteht. Es liegt ziemlich hoch (eine genaue Meterzahl kann ich leider nicht angeben) und ist von schneebedeckten Gipfeln umgeben. Wir wurden telefonisch von Alex, einem anderen, in McLeod Ganj seinen Freiwilligendienst Leistenden zu unserer Unterkunft gelotst. Wir bekamen ein Gästezimmer in der buddhistischen Mönchsschule des Ortes, zu der man 300 Stufen eine kleine, steile Treppe hinab krakseln muss. (Ich erwähne das, da es von jedem dort betont wird und daher besondere Wichtigkeit zu haben scheint.) Das Zimmer war sehr schön, allerdings sind indische Häuser in keinem Fall in unserer Weise isoliert, sodass die Behaglichkeit bei unter 10 Grad und Regen doch etwas zu wünschen übrig ließ (zudem ich mich in letzter Zeit auf einen gewissen Standard von über 20° eingestellt habe). Mit dem Wetter hatten wir wirklich Pech. Es regnete und gewitterte konsequent weiter und das, obwohl das Wetter die Tage zuvor schön gewesen sein soll. Ein weiterer Schlag kam leider dazu: Genau in dieser Woche feierten die Chinesen und Tibeter ihr Neujahrsfest. Dieses dauert mehrere Tage und bedeutete, dass beinahe alle Geschäfte und Restaurants geschlossen blieben, da die Tibeter die Tempel besuchen oder Zeit mit der Familie zu verbringen. Viel Zuflucht vor dem Regen bot sich in der Stadt daher auch nicht. Wir ließen uns also nass regnen, erforschten das an Geschäften und Sehenswürdigkeiten, das trotz der Feiertage möglich war und wärmten uns zwischendurch immer wieder in dem einzigen geöffneten Café der Stadt mit einem leckeren Chai. An diesem Café merkte man, wie sehr das Stadtbild in McLeod Ganj von Tourismus geprägt ist. Obwohl die Stadt so klein ist, finden sich dort gefühlt hunderte von Geschäften, in denen man tibetischen Schmuck, Yak-wool Schals und anderen Schnickschnack kaufen kann und auch die Restaurants sind mit komfortablen Sitzgelegenheiten zum Entspannen, Wifi, Kuchen und frischen Waffeln schon sehr auf den touristischen Geschmack ausgelegt. (Inder verlassen Restaurants nach dem Essen meist schnell wieder und die Tibeter trinken ihren Tee mit geklärter Butter – sehr gewöhnungsbedürftig. Ein netter Australier, der auch in unserem Guesthouse untergekommen war, borgte uns gegen Nachmittag noch einen Heizlüfter. Unsere Rettung. Da die Wohnungen hier meist nicht über Heizungen verfügen, bietet dieses kleine Gerät, das wie ein Fön funktioniert und wie ein Toaster aussieht, die einzige Rettung. Wir entschlossen uns trotzdem unseren Besuch um einen Tag zu kürzen und buchten unseren Bus um.  In der restlichen Zeit ließen wir uns von unserem australischen Zimmernachbarn noch den Tempel und die angrenzende Wohnstätte des Dalai Lama zeigen. Entsetzt  waren wir dort  durch aushängende Fotografien und „Märtyrer-Gedenksäulen“ stattfindende Heroisierung von Selbstverbrennungen. Die Anzahl der Bilder, das junge Alter der Abgebildeten und die Tatsache, dass ein solcher Selbstmord meines Erachtens niemals wirklich Aussicht darauf haben kann, an der politischen Realität etwas zu ändern, bedrückten mich sehr.

Wir fuhren dann mit dem Bus zurück nach Delhi und erreichten dort die Bahnstation glücklicher Weise noch rechtzeitig um den Zug weiter nach Agra zu bekommen. Es gestaltete sich bloß als großes Kunststück, den richtigen Zug auch zu finden. Auf unserem Ticket standen weder Gleis noch Zugnummer, Anzeigetafeln mit den Zielen eines Zugs gab es nicht und von jedem Bahnangestellten wurden wir zu unterschiedlichsten Gleisnummern ver- und dort wiederum abgewiesen, da es sich nicht um unseren Zug handele. In letzter Sekunde konnten wir noch in unseren Zug springen und uns aus der völlig verräucherten und zwielichtigen General class doch noch auf zwei freie Liegen in der Sleeper class retten. In Agra hatten kamen wir in einem netten günstigen Hostel unter, das von zwei riesigen, schlaksigen Typen verwaltete wurde, die beide sehr witzige, kontrastierende Stimmen hatten: einer unfassbar tief, der andere hoch und fistelig. Es hatte – wie ungefähr alle Hotels bzw. Restaurants dort – ein schönes Rooftop-Café mit Blick auf das Taj Mahal. Diese Orte waren ein wunderbarer Rückzugsort, da wir Agra mit seinem auf enge Straßen komprimierten, natürlich lautstark hupendem Verkehr als verhältnismäßig stressig empfanden. Wir besichtigten das Agra Fort, das wir beide sehenswerter fanden, als das Rote Fort in Delhi, Bazare und natürlich das Taj Mahal. Das war natürlich beeindruckend, aber meine Faszination für Indien ergibt sich, wie mir immer mehr bewusst wird, viel mehr aus dem menschlichen Miteinander und dem Straßenleben, als aus den berühmten Sehenswürdigkeiten. Das florale Muster des Taj Mahal erinnerte mich zudem die ganze Zeit übermäßig an das Design eines IKEA-Bettwäsche Sets. Da haben die Schweden bestimmt ihre Inspiration in Indien gefunden. Am letzten Nachmittag verirrten wir uns einmal vollständig in Agras Altstadtgassen und David wurde schon nervös, da wir immer mehr von den Einheimischen beäugt und belagert wurden. Daran gewöhnt man sich allerdings, wenn man sich eine gewisse Zeit in Indien aufhält. 

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