Dienstag, 10. Februar 2015

Reisezeit - Kolkata

Da Fabian seinen Reisepass wirklich noch in letzter Minute von den Behörden in Delhi zurückerhalten hatte, konnten wir zu guter Letzt am 16.12.14 doch noch gemeinsam unsere Reise nach Kolkata starten. Zu Beginn schien erst einmal alles schief zu laufen. Fabians Rückflug wurde von Spicejet gecancelt und musste umgebucht werden, sodass er Kolkata einen Tag früher verlassen würde. Als wir am Flughafen in Guwahati eintrafen stand dann bereits eine aufgebracht schreiende Menschenmenge vor dem Spicejet-Schalter, da ein Flug nach Delhi vollständig gecancelt wurde, nachdem er bereits mehrere Tage Stück für Stück nach hinten verschoben wurde. Auch unser Flug wurde dann als verspätet angekündigt. Nervig, wenn man eh deutlich vor der Zeit am Flughafen ist (Die Erfahrung zeigt: Für alle Eventualitäten ist es in Indien immer besser einen üppigen Zeitpuffer einzuplanen.). Immer wieder wurde der Grad der Verspätung vergrößert und es hing die große Ungewissheit im Raum, ob der Flug überhaupt starten würde. Gott sei Dank konnten wir uns die Wartezeit mit zwei netten Fathers aus Shillong vertreiben, von denen der eine –wie so viele – eine Zeit lang in Deutschland studiert hatte, über großes historisches Wissen verfügte und mir viel über die Geschichte Indiens erzählen konnte. Nachdem der Flug dann nach viel Trara und mit ca. 10 Stunden Verspätung Kolkata erreichte, standen wir dann vor einem neuen Problem: Wohin mit uns um drei Uhr morgens? Da uns der Sinn nicht danach stand noch mehr Zeit am Flughafen zu verbringen, fuhren wir trotz nachtschlafender Zeit einfach in die Sudder Street zum Afridi international Hotel, in dem wir reserviert hatten. Die Sudder Street stellte sich jedoch nicht als das freundliche und belebte Touristenzentrum dar (das es wie wir später herausfanden tagsüber ist), sondern als düstere Gasse, ohne Beleuchtung, in deren Ecken Leute unter Plastikplanen schliefen und Hunde den Müll durchwühlten. Erfolglos und ängstlich rüttelten wir  an den Türen unseres und mehrerer anderer Hotels, wo uns zwar überall jemand antwortete, die Leute jedoch hinter den vergitterten Türen verschanzt blieben und uns darauf verwiesen, morgen wieder zu kommen. So abgewiesen standen wir mit klopfendem Herzen  allein auf der zwielichtigen Straße bis uns ein beflissener Taxifahrer in sein Taxi und in das nächste geöffnete Hotel manövrierte. Das Zimmer dort wurde uns zwar zu einem völlig unverhältnismäßigen Preis angedreht, jedoch war ich nach dieser Erfahrung nur froh die Tür hinter mir abschließen zu können.
Am nächsten Morgen machten wir uns dann zu Fuß auf unser eigentliches Hotel zu beziehen. Bei Tag sah die Sudder Street dann völlig anders aus: touristischer Trubel, freundliche Händler und das Hotel war einfach super. Und damit begann der schöne Teil der Reise:
Wir besichtigten den Maidan, das Victoria Memorial und die St. Paul’s Cathedral. Am nächsten Tag wanderten wir die geschäftige Neruh road entlang in Richtung BBD Bagh – eines künstlichen Sees in der Stadt, umringt von schönen historischen Gebäuden -, über den Blumenmarkt und die Howrah Bridge – angeblich die verkehrsreichste Brücke der Welt – über die Mahatma Ghandi road zum Marble Palace und wieder zurück zum Hotel. Zwischendurch genossen wir das Straßenessen, Kolkatas berühmte Sweets und die umliegende Kolonialzeitarchitektur. Und immer wieder gab‘s natürlich Chai-Pausen. Ein bisschen indische Kultur steckt uns ja mittlerweile doch in den Knochen. J
Dann besuchten wir noch das Mother Theresa House, in dem sie ihre letzten Jahre gearbeitet hat und auch gestorben ist, den Weihnachtsmarkt in der Park Street, der bei uns aber wenig weihnachtliche Stimmung hervorrief und trafen uns mit Emmanuel, einem deutschen Studenten, der für ein Jahr in einem indischen Unternehmen arbeitet und den ich im Vorfeld unserer Reise bei facebook kennengelernt hatte. Es war sehr schön sich mit jemand anderem über die Erfahrungen in Indien und mit Freiwilligendiensten (er war in Afrika) austauschen zu können. Zudem hatte er immer wieder kleine Geheimtipps, vor allem bezüglich Bars, Cafés und Restaurants in denen wir sehr nette Abende verbrachten. Insgesamt war es unglaublich, wie sicher ich mich als weiße, junge Frau in Kolkata fühlen konnte. Ich konnte mich allein bewegen ohne mich verunsichert zu fühlen. Hier wurde mir der Unterschied zwischen einer weltoffeneren Großstadt und den ländlichen und krisengeschüttelten Assam erst so richtig bewusst.

Meinen letzten Tag verbrachte ich, da Fabian ja einen Tag früher fliegen musste, mit einer Tour über den New Market, einer alten Verkaufshalle die heute ein wahres Shoppingparadies ist, auch wenn man sich ununterbrochen gegen übergriffige „Shopping-Guides“ und Händler durchsetzen muss. Im dritten Shop nahm mich dann auch gleich eine überschwängliche, Ende vierzig-jährige Australierin unter ihre Fittiche und führte mich zu den „best shops“. Da ich eh keine Pläne für den Tag hatte nahm ich ihre Gesellschaft sehr gerne an und tourte mit ihr unter viel Gewusel durch den Markt. Am Abend traf ich mich dann noch ein letztes Mal mit Emmanuel, trank eine für mich grässliche heiße Schokolade, die gerichtet nach dem indischem Geschmack ungefähr zur Hälfte aus Zucker bestand und machte mich dann am Sonntag früh auf, um nach Kerala weiterzureisen. Der erste Abschnitt meiner vierwöchigen Reisezeit war schon mal ein voller Erfolg.

Chai-Pause


Howrah-Bridge 

 Mullik Ghat Flower Market

professionelles Ohrenputzen
Victoria Memorial


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