Da Fabian seinen Reisepass wirklich noch in letzter Minute
von den Behörden in Delhi zurückerhalten hatte, konnten wir zu guter Letzt am
16.12.14 doch noch gemeinsam unsere Reise nach Kolkata starten. Zu Beginn
schien erst einmal alles schief zu laufen. Fabians Rückflug wurde von Spicejet
gecancelt und musste umgebucht werden, sodass er Kolkata einen Tag früher
verlassen würde. Als wir am Flughafen in Guwahati eintrafen stand dann bereits
eine aufgebracht schreiende Menschenmenge vor dem Spicejet-Schalter, da ein
Flug nach Delhi vollständig gecancelt wurde, nachdem er bereits mehrere Tage
Stück für Stück nach hinten verschoben wurde. Auch unser Flug wurde dann als
verspätet angekündigt. Nervig, wenn man eh deutlich vor der Zeit am Flughafen
ist (Die Erfahrung zeigt: Für alle Eventualitäten ist es in Indien immer besser
einen üppigen Zeitpuffer einzuplanen.). Immer wieder wurde der Grad der
Verspätung vergrößert und es hing die große Ungewissheit im Raum, ob der Flug
überhaupt starten würde. Gott sei Dank konnten wir uns die Wartezeit mit zwei
netten Fathers aus Shillong vertreiben, von denen der eine –wie so viele – eine
Zeit lang in Deutschland studiert hatte, über großes historisches Wissen verfügte
und mir viel über die Geschichte Indiens erzählen konnte. Nachdem der Flug dann
nach viel Trara und mit ca. 10 Stunden Verspätung Kolkata erreichte, standen
wir dann vor einem neuen Problem: Wohin mit uns um drei Uhr morgens? Da uns der
Sinn nicht danach stand noch mehr Zeit am Flughafen zu verbringen, fuhren wir
trotz nachtschlafender Zeit einfach in die Sudder Street zum Afridi
international Hotel, in dem wir reserviert hatten. Die Sudder Street stellte
sich jedoch nicht als das freundliche und belebte Touristenzentrum dar (das es
wie wir später herausfanden tagsüber ist), sondern als düstere Gasse, ohne
Beleuchtung, in deren Ecken Leute unter Plastikplanen schliefen und Hunde den
Müll durchwühlten. Erfolglos und ängstlich rüttelten wir an den Türen unseres und mehrerer anderer
Hotels, wo uns zwar überall jemand antwortete, die Leute jedoch hinter den
vergitterten Türen verschanzt blieben und uns darauf verwiesen, morgen wieder
zu kommen. So abgewiesen standen wir mit klopfendem Herzen allein auf der zwielichtigen Straße bis uns
ein beflissener Taxifahrer in sein Taxi und in das nächste geöffnete Hotel
manövrierte. Das Zimmer dort wurde uns zwar zu einem völlig unverhältnismäßigen
Preis angedreht, jedoch war ich nach dieser Erfahrung nur froh die Tür hinter
mir abschließen zu können.
Am nächsten Morgen machten wir uns dann zu Fuß auf unser
eigentliches Hotel zu beziehen. Bei Tag sah die Sudder Street dann völlig
anders aus: touristischer Trubel, freundliche Händler und das Hotel war einfach
super. Und damit begann der schöne Teil der Reise:
Wir besichtigten den Maidan, das Victoria Memorial und die
St. Paul’s Cathedral. Am nächsten Tag wanderten wir die geschäftige Neruh road
entlang in Richtung BBD Bagh – eines künstlichen Sees in der Stadt, umringt von
schönen historischen Gebäuden -, über den Blumenmarkt und die Howrah Bridge –
angeblich die verkehrsreichste Brücke der Welt – über die Mahatma Ghandi road
zum Marble Palace und wieder zurück zum Hotel. Zwischendurch genossen wir das
Straßenessen, Kolkatas berühmte Sweets und die umliegende
Kolonialzeitarchitektur. Und immer wieder gab‘s natürlich Chai-Pausen. Ein
bisschen indische Kultur steckt uns ja mittlerweile doch in den Knochen. J
Dann besuchten wir noch das Mother Theresa House, in dem sie
ihre letzten Jahre gearbeitet hat und auch gestorben ist, den Weihnachtsmarkt
in der Park Street, der bei uns aber wenig weihnachtliche Stimmung hervorrief
und trafen uns mit Emmanuel, einem deutschen Studenten, der für ein Jahr in
einem indischen Unternehmen arbeitet und den ich im Vorfeld unserer Reise bei
facebook kennengelernt hatte. Es war sehr schön sich mit jemand anderem über
die Erfahrungen in Indien und mit Freiwilligendiensten (er war in Afrika)
austauschen zu können. Zudem hatte er immer wieder kleine Geheimtipps, vor
allem bezüglich Bars, Cafés und Restaurants in denen wir sehr nette Abende
verbrachten. Insgesamt war es unglaublich, wie sicher ich mich als weiße, junge
Frau in Kolkata fühlen konnte. Ich konnte mich allein bewegen ohne mich
verunsichert zu fühlen. Hier wurde mir der Unterschied zwischen einer
weltoffeneren Großstadt und den ländlichen und krisengeschüttelten Assam erst
so richtig bewusst.
Meinen letzten Tag verbrachte ich, da Fabian ja einen Tag
früher fliegen musste, mit einer Tour über den New Market, einer alten
Verkaufshalle die heute ein wahres Shoppingparadies ist, auch wenn man sich
ununterbrochen gegen übergriffige „Shopping-Guides“ und Händler durchsetzen
muss. Im dritten Shop nahm mich dann auch gleich eine überschwängliche, Ende
vierzig-jährige Australierin unter ihre Fittiche und führte mich zu den „best
shops“. Da ich eh keine Pläne für den Tag hatte nahm ich ihre Gesellschaft sehr
gerne an und tourte mit ihr unter viel Gewusel durch den Markt. Am Abend traf
ich mich dann noch ein letztes Mal mit Emmanuel, trank eine für mich grässliche
heiße Schokolade, die gerichtet nach dem indischem Geschmack ungefähr zur
Hälfte aus Zucker bestand und machte mich dann am Sonntag früh auf, um nach
Kerala weiterzureisen. Der erste Abschnitt meiner vierwöchigen Reisezeit war
schon mal ein voller Erfolg.
Chai-Pause |
Howrah-Bridge |
Mullik Ghat Flower Market |
professionelles Ohrenputzen |
Victoria Memorial |
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